In den Rauhnächten zwischen Weihnachten 2016 und Neujahr 2017 war ich 5 Tage und 5 Nächte in einem Dunkelretreat. Was meine ich damit?
Ein Dunkelretreat ist ein Rückzug in einen Raum, der absolut stockdunkel ist. Das heisst, alle Fenster sind lichtdicht eingekleidet und es hängen schwere, spezielle lichtdichte Vorhänge davor. Vor der Zimmertüre hängen Wolldecken, damit auch dort, weder durch das Schlüsselloch, noch unter der Tür durch irgendein Lichtlein in den Raum kommt. Wer einmal die Vorrichtung eines solchen Zimmers gesehen, dem wird klar, wie stark und kraftvoll Licht ist. Schon der kleinste Schimmer an Licht in der Dunkelheit, zieht den Blick auf sich.
Der Rückzug in die Dunkelheit entspringt der tibetischen, japanischen und indianischen Kultur. Es sind die Schamanen, Medizinmänner/frauen, Mönche, PriesterInnen, die diesen Rückzug suchen. Traditionell finden diese Rückzüge in Kiwas (Erdhöhlen) oder verdunkelten heiligen Räumen statt. In der Dunkelheit fällt der visuelle Teil komplett weg. Man sieht die Hand vor Augen nicht mehr. Dadurch fallen automatisch eine GANZ GROSSE Menge an Reizen, Informationen und Ablenkungen weg. Nur schon der Fakt, dass das Handy komplette 5 Tage ausgeschaltet ist, ist kaum mehr vorstellbar.
Wenn diese Aeusserlichkeiten wegfallen und es zudem rundherum noch ganz still ist, dann ist da nur noch das eigene SELBST. Man wird unausweichlich auf sich selber zurückgeworfen. Und GENAU DAS IST ES WERT, einmal so einen Rückzug zu erfahren.
Dies ist meine persönliche Erfahrung:
Ich bin abends um ca. 22 Uhr in die Dunklen Hallen hineingegangen. Das war dann ganz einfach, ich musste nur meine Zahnbürste und Zahnpasta finden, Zähne putzen und ab ins Bett. Also nichts spezielles.
Aber dann kommt der Morgen.... ich liege wach im Bett, die Augen noch geschlossen. Von draussen höre ich ab und zu Autos, die vorbeifahren und auch im Haus höre ich ab und zu ein Geräusch, eine WC-Spülung die betätigt wird. Mir wird klar, es muss Morgen sein und im Kopf weiss ich es: Wenn ich jetzt die Augen aufmache, wird es trotzdem immer noch dunkel sein. Ja, mein Verstand weiss das. Und dann mache ich die Augen auf und es ist immer noch dunkel. Dies ist gegen die Natur. Es müsste hell sein!!! Mein Körper und auch mein Geist brauchen 3 Tage, bis sie sich daran gewöhnt haben, dass es einfach dunkel bleibt.
Dies ist einerseits komisch und andererseits gab es mir einen unermesslich grossen RAUM. Einen Raum, mich zu entfalten. Da ist einfach endlich mal richtig viel ZEIT FUER MICH. Und zwar nur für mich. Absolut keine Ablenkung. Endlich ist der Raum da für meine Gedanken und Visionen. Zu erkennen, welche Gedanken immer und immer wieder kommen.
Die wiederkehrenden Gedanken waren 3 Tage lang da. Ab dem 4. Tag waren sie weg.
Und dann war er da. Der leere Raum!
Und dieser ist unbeschreiblich kraftvoll und schön. Ich habe mich unendlich geborgen und getragen gefühlt und jede Minute einfach genossen. Ich sass tagsüber einfach stundenlang auf dem Meditationskissen oder auf dem Boden und blickte in diese dunkle Leere.
Und da endlich mal Ruhe in meinem Kopf war, und ich dies zugelassen habe, war ich nun bereit wahrhaftig zu empfangen. Und so durfte ich am 5. Tag eine grosse Klarheit über mein Leben, mein Denken, mein Sein, mein Wirken und weitere Visionen empfangen. Sehr gern wäre ich noch ein paar Tage länger geblieben.
Das Dunkelretreat habe ich bei meiner schamanischen Lehrerin Anna Lara Rhyner in Herisau gemacht. Sie hat mich sehr liebevoll und achtsam betreut in diesen Tagen. Zwei Mal täglich ist sie in mein Zimmer gekommen und hat mir wunderbares und mit grosser Liebe zubereitetes Essen gebracht, das Zimmer gelüftet und abends geräuchert. Natürlich trug ich jeweils eine lichtdichte Brille, um nicht den geringsten Lichtfunken zu erhaschen.
Ja, es war eine absolut magische und lichtvolle Erfahrung. Denn dunkel war es NIE. Obwohl ich meine Hände vor Augen nicht gesehen habe, habe ich sehr viel Licht gesehen, in mir und um mich.... es gibt sie also gar nicht, die absolute Dunkelheit, denn es ist immer Licht da.
Verfasst von Corinna Ehling am 15. Januar 2017